Stellungnahme der Freien Wähler Albstadt zum Haushaltsentwurf 2025
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Tralmer, Herr Erster Bürgermeister Hollauer, Herr Finanzbürgermeister Mall, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, meine Damen und Herren,
der Haushaltsentwurf 2025, über den wir heute diskutieren und den wir aller Voraussicht nach verabschieden werden, ist bereits der zweite in diesem Jahr. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage wurde der Haushalt für 2024 diesmal erst zu Jahresbeginn verabschiedet.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht verbessert. Hatte man während der Pandemie noch die Hoffnung auf einen Aufschwung, so hat die OECD die Konjunkturprognose für Deutschland aktuell weiter gesenkt.
Was bedeutet das für den vorliegenden Haushaltsentwurf und die kommenden Jahre?
„Auf Wünschenswertes verzichten“ oder „Pflicht vor Kür“ sind Schlagworte, die uns durch die Debatten der letzten Jahre begleitet haben.
Wir haben fraktionsübergreifend Prioritäten im Bereich Bildung und Betreuung gesetzt und das Investitionsvolumen des vorliegenden Entwurfs ist so hoch wie nie zuvor. Dennoch stehen wir in vielen Bereichen vor einer maroden Infrastruktur. Die Beschlüsse zur Hallenkonzeption, die wir in der Niedrigzinsphase getroffen hatten, wurden nicht umgesetzt. So gibt es nach wie vor keinen dauerhaften Ersatz für die Schlossbergturnhalle in Ebingen und wir stecken hohe Summen in Interimslösungen wie die temporäre Sporthalle oder aktuell die Zollernalbhalle. Selbst das nicht nutzbare Thalia-Theater kostet den Steuerzahler monatlich eine vierstellige Summe.
„Alle Investitionen, die es in den Haushalt geschafft haben…“ so haben Sie, Frau Wild, uns bei der Einbringung erläutert, sind dort ab Seite 241 aufgeführt. Ab Seite 500 folgt dann die Albstädter Investitionsstrategie 2040. Auch wenn wir damit ein übersichtliches Instrument für die mittel- und langfristige Finanzplanung erhalten haben, kann man aufgrund der leeren Kassen einerseits und des immensen Investitionsstaus auf der anderen Seite weniger von einer Investitionsstrategie oder gar einem konzeptionellen Vorgehen als vom Versuch sprechen, entstandene Löcher zu stopfen. Die versteckten Schulden werden also weiter steigen.
Gleichzeitig wachsen die Aufgaben, die den Kommunen übertragen werden. Für Kinder, die zum Schuljahr 2026/2027 eingeschult werden, tritt der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in Kraft, der sukzessive ausgebaut werden soll. Die Kommunen stehen letztendlich in der Verantwortung, diesen Rechtsanspruch zu erfüllen. Das wird uns – wie alle Kommunen – vor immense Herausforderungen stellen. Wenn Kinder und Jugendliche mehr Zeit in der Schule verbringen, müssen auch die entsprechenden personellen und räumlichen Voraussetzungen geschaffen werden: wir brauchen Aufenthalts- und Arbeitsräume, Mensen und Sporthallen. Wir müssen Kooperationen mit anderen Bildungsträgern wie VHS, Musik- und Kunstschule, Vereinen und Bibliotheken schaffen- räumlich wie personell. So können mittel- und langfristig Synergieeffekte erzielt werden. Als konkretes Beispiel hatten wir das Areal um die Schlossberg- und Hohenbergschule in Ebingen anvisiert. Bleiben wir optimistisch, dass strategisches Planen und Handeln wieder möglich sein werden.
Uns allen ist bewusst, dass das nicht ohne eine kritische Überprüfung und die Reduzierung unserer Infrastruktur möglich sein wird. Albstadt hat über 200 Immobilien. Ein Großteil davon stammt – wie manche von uns – aus der Boomerzeit und ist sanierungsbedürftig. Viele Einrichtungen sind aus historischen Gründen mehrfach vorhanden oder überdimensioniert. Ein Beispiel ist das riesige Netz der Kläranlage, angelegt auf den Bedarf der damaligen Textilindustrie, für deren Umbau und Sanierung die unglaubliche Summe von über 30 Millionen Euro veranschlagt wird.
Die entscheidende Frage wird also sein, welche Einrichtungen der Daseinsvorsorge unverzichtbar für die Zukunft sind. Welche Infrastruktur wird ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sein und muss erhalten bzw. ausgebaut werden? Denn es geht nicht um unsere aktuellen Bedürfnisse und Wünsche, sondern um die zukünftiger Generationen.
Im Bereich der sozialen Standortfaktoren werden auch in der Zukunft bedarfsgerechte Bildungs- und Betreuungsangebote wichtig sein. Wir Freie Wähler freuen uns daher, dass die Planungen der dringend benötigten Kita in Onstmettingen weiter fortgeschritten sind.
Die Sicherung der medizinischen Versorgung im ambulanten wie stationären Bereich sehen wir Freie Wähler als weitere große Herausforderung. Wenn Arztpraxen im Zollernalbkreis Nachfolger gefunden haben, kamen diese zu einem großen Teil aus dem Zollernalb-Klinikum. Nur durch ein neuerbautes, zukunftsfähiges und für junge Ärztinnen und Ärzte attraktives Zentralklinikum wird die ambulante Versorgung gesichert werden können. Keine Option ist es, wenn Bürgermeister aus Nachbargemeinden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte anschreiben und abwerben möchten. Diese unsolidarische Aktion zeigt höchstens, wie wichtig die Sicherung der medizinischen Versorgung vor Ort ist.
Auch im Bereich der technischen Infrastruktur müssen buchstäblich wichtige Weichen für die kommenden Generationen gestellt werden.
Die Klimakrise gilt als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und verlangt von uns entschlossenes Handeln auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. Städte verursachen weltweit rund drei Viertel aller Treibhausgasemissionen und tragen daher eine ganz besondere Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels. Gleichzeitig verfügen sie über ein großes Potential, da sie Maßnahmen vor Ort planen und umsetzen können, auch wenn die Realisierung beispielweise der kommunalen Wärmeplanung noch mit vielen Fragezeichen verbunden ist. Bürgerinnen und Bürger sollten bei der Planung und Umsetzung der Energiewende einbezogen werden. Beim Umstieg auf erneuerbare Energien wie Photovoltaik sehen wir Freie Wähler Projekte wie Bürgergenossenschaften als einen guten Ansatz.
Eine weitere wichtige Weichenstellung erfolgt durch die Reaktivierung der Talgangbahn. Die RegioStadtbahn Neckar-Alb wird die Zugverbindung nach Tübingen ohne Umstieg ermöglichen. Sie ist die Voraussetzung für die Elektrifizierung der Zollernbahn und damit für die weitere Anbindung nach Stuttgart. 95% der Kosten für Planung, Reaktivierung und Betrieb zumindest für den Stundentakt, bei guter Akzeptanz auch für den Halbstundentakt, werden von Bund und Land übernommen. Diese Zusagen wurden von Professor Bernecker, Geschäftsführer des Zweckverbands Regionalstadtbahn Neckar-Alb in der Gemeinderatssitzung am 24.10. nochmals eindeutig bestätigt. Wer exakte Zahlen über zukünftige Fahrgastzahlen und Betriebskosten verlangt, der fordert den Blick in die Glaskugel. Sicher ist, dass die Trasse ohne Reaktivierung an die Stadt zurückgeht und wir dann hohe, nicht bezifferbare Kosten für Rück- und Umbau stemmen müssten – dies ohne jegliche Zuschüsse und Mehrwert.
Im Übrigen bin ich zuversichtlich, dass die nachfolgenden Generationen und potentiellen Fahrgäste verantwortungsvoller mit Ressourcen umgehen werden als die Generationen vor ihnen.
Trotz leerer Kassen investieren wir in die Weiterentwicklung der Lebens- und Aufenthaltsqualität in allen Stadtteilen. Mit dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ soll die Ebinger City zum „…Wohlfühlort für Alle…“ werden.
Die Umwandlung von Leerständen in Wohnraum und die Verbesserung der Aufenthaltsqualität zeigt in der Neuen Tailfinger Mitte, wie dadurch die Belebung der Innenstadt gelingen kann. Sie ist zugleich Wohn-, Arbeits- und Aufenthaltsort, und die unterschiedlichen Akteure haben unterschiedliche Interessen. Vor allem im Sommer wird das Quartier vom Eiscafé bis zum Wassertisch besonders von Familien gerne angenommen und belebt. Gleichzeitig beschweren sich Anwohner und Geschäftsleute über Lärm und Müll. Wir Freie Wähler nehmen die Sorgen und Nöte der Anwohner ernst. Auch wir sehen Handlungsbedarf. Es ist unsere Aufgabe, die Bedürfnisse von jungen Menschen mit denen anderer Stadtbewohner in Einklang zu bringen. In einem generationsübergreifenden Dialog müssen wir Konzepte für eine gemeinsame Umsetzung suchen. Wir müssen Plätze für Kinder und Jugendliche in unserer Mitte schaffen und dürfen sie nicht an den rechten Rand abdrängen.
Kurz möchte ich noch auf den Bereich Gebühren und Steuern eingehen. Die schon angesprochene Sanierung der Kläranalage und die Verpflichtung zur Kostendeckung hat eine Erhöhung der Abwassergebühren zur Folge. Wie alle Kommunen in Baden-Württemberg musste Albstadt im Rahmen der Grundsteuerreform den Grundsteuerhebesatz überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Die am 24.10. im Gemeinderat verabschiedete Hebesteuersatzung bewirkt eine Verschiebung zugunsten des Gewerbes und zulasten des Wohnens. Den Gewerbebetrieben wird eine Einsparung von rund 1,5 Mio. Euro prognostiziert. Verlierer sind die Besitzer von Eigenheimen mit größeren Grundstücken. Nicht entschieden ist, wie wir mit der Grundsteuer C umgehen, die den Kommunen dabei helfen soll, unbebaute baureife Grundstücke höher zu besteuern. Unsere Fraktion sieht darin ein wichtiges Instrument für die Schaffung innerstädtischen Wohnraums.
Transparente Folgenkostenberechnung ist Voraussetzung für die Erstellung eines nachhaltigen Haushalts und dient als Entscheidungsgrundlage bei Gemeinderatsbeschlüssen.
Aber nicht immer werden absehbare Mehrkosten kommuniziert. Vor Kurzem war die Schlüsselübergabe am Tailfinger Progymnasium, und wir konnten uns davon überzeugen, dass am Lammerberg nach der Sanierung ein beeindruckendes Schulgebäude entstanden ist. Der Verzicht auf die Sporthalle, den wir Freie Wähler nach wie vor als eine der katastrophalsten Entscheidungen der letzten Jahre bewerten, wird mit Folgekosten durch Umplanung und Transportkosten verbunden sein und das Hallenproblem für Schulen und Vereine weiter verschärfen. Welche Folgen dies auf die Qualität des Schulzentrums hat, wird inzwischen deutlich: Lehrer wechseln an andere Schulen, da ein sinnvoller Sportunterricht unter den gegebenen Umständen nicht mehr möglich ist.
Bei der Entscheidung zur Umstrukturierung der Verwaltung wurde die Auswirkung auf den Stellenplan ausgeklammert und vertagt, obwohl im Vorfeld kommuniziert worden war, dass eine sinnvolle Umsetzung ohne zusätzliche Stellen, Höherstufungen und weitere Amtsleiterstellen nicht möglich sein wird. Auch hier hätte unsere Fraktion Transparenz und Folgekostenberechnung erwartet.
2025 wird Albstadt ein halbes Jahrhundert alt. In diesen 50 Jahren hat sich unsere Stadt einem gewaltigen Wandel unterzogen. Die Entscheidung zum Zusammenschluss wurde in Zeiten getroffen, als die heimische Textilindustrie die Stadt dominierte und das Thema Globalisierung und ihre Auswirkungen weit entfernt war. Durch innovative Ideen und Weitsicht haben viele Unternehmen die Krise gemeistert und den Strukturwandel geschafft.
Sind wir daher optimistisch, dass wir gemeinsam Antworten auf die aktuellen Fragen und Herausforderungen finden werden. Im Albstädter Gemeinderat haben wir einen großen Vorteil, der mich zuversichtlich stimmt: bei allen inhaltlichen Unterschieden verbindet uns eines: das Bekenntnis zur Demokratie und die Bereitschaft, sich aktiv für deren Erhalt einzusetzen. Dafür ist es wichtig, dass Entscheidungsprozesse und Vergaben transparent sind und wir sensibel mit dem Thema Befangenheit umgehen.
Unsere Fraktion dankt allen, die an der Erstellung des vorliegenden Haushaltsentwurfs beteiligt waren, stellvertretend Ihnen, Frau Wild, und Ihrem Team. Wir bedanken uns auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für ihren Einsatz in anspruchsvollen Zeiten.
Die Fraktion der Freien Wähler wird dem Haushalt 2025 mehrheitlich zustimmen.
Für die Fraktion der Freien Wähler
Manuela Heider
Es gilt das gesprochene Wort